Stiftung „Lebendige Stadt”

Seit dem Jahr 2000 engagiert sich die Stiftung „Lebendige Stadt” unter ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Alexander Otto erfolgreich für die Zukunft unserer Städte. Die urbane Vielfalt aus Arbeit, Kultur und Wohnen gilt es zu erhalten und mit zu gestalten. Themenschwerpunkte bilden die Bereiche Licht, Grün und Gestaltung öffentlicher Räume.

Prof. Dr. Dittmar Machule

Der Begriff Inklusion wurde 2008 in der UN-Behindertenrechtskonvention als ein programmatisches Schlagwort international eingeführt. Das Fremdwort ist prägend, wie ein gutes Logo. Demnach fokussiert Inklusion auf alles, was Menschen mit Behinderungen das Zusammenleben mit Denjenigen ermöglicht und fördert, die meinen ohne Behinderungen zu sein; und der Begriff kennzeichnet entsprechende Aktivitäten.

Inklusion ist mehr.

Der Begriff Inklusion wurde 2008 in der UN-Behindertenrechtskonvention als ein programmatisches Schlagwort international eingeführt. Das Fremdwort ist prägend, wie ein gutes Logo. Demnach fokussiert Inklusion auf alles, was Menschen mit Behinderungen das Zusammenleben mit Denjenigen ermöglicht und fördert, die meinen ohne Behinderungen zu sein; und der Begriff kennzeichnet entsprechende Aktivitäten. Unverschuldete Besonderheit und Andersartigkeit, die nicht böse ist, werden akzeptiert. Barrieren – die physisch-technischen in Stadt und Land und die virtuellen in unseren Köpfen – sollen fallen. Es war und ist ein Appell an die Menschlichkeit. Damit bedeutet Inklusion mehr als Partizipation und Integration.

 

Es überrascht möglicherweise, dass sich die Stiftung „Lebendige Stadt“ mit Inklusion beschäftigt, wie geschehen beim ersten Runden-Tisch-Dialog am 6. April 2015 in Köln. Bedenkt man jedoch, was eine Stadt seit je her spannungsreich und für viele unterschiedliche Menschen lebenswert – eben lebendig – macht, dann war der Runde Tisch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Inklusionsbemühungen nur folgerichtig. Schon immer konstituiert gelebte Gegensätzlichkeit das Wesen von Stadt, eingependelt zwischen den Extremen Akzeptanz oder Ablehnung und Einbezug oder Ausgrenzung. Auch in Zukunft kommt es darauf an, was von wem gewollt wird und welche Spielregeln für das Zusammenleben gelten sollen. Nach der Diskussion am Runden Tisch lauteten die Fragen: Gilt Inklusion nur für das Zusammenleben von behinderten und nichtbehinderten Menschen? Ist Inklusion nicht doch der programmatische Begriff, der diejenigen Notwendigkeiten und Voraussetzungen einfängt, die auf vielen anderen Ebenen von Stadt und Quartier die Chancen für ein friedliches, individuell glückvolles Zusammenleben erhöhen können?

 

Die UN-Konvention hat mit ihrem Schlagwort Inklusion vielfältiges Handeln angestoßen. Aufgegriffen von Politik und Verwaltung und mit bürgerschaftlichem Engagement wurde versucht, diese eher einleuchtende als operationalisierbare Aufforderung der UN mit ihrer zutiefst ethischen Dimension in sozialen, insbesondere erziehungs- und sportbezogenen Zusammenhängen zu realisieren. Bei der Umsetzung der Konvention wurden Erfahrungen gesammelt. Schnell zeigte sich, dass vieles von dem, was den behinderten Menschen in der Stadt und im Quartier hilft, ebenso den Nichtbehinderten zugutekommt. Manches Gutgemeinte erwies sich aber auch als praxisuntauglich und erzeugte neue Probleme.

 

Es braucht Zeit und bedarf des Experimentierens, wenn den unterschiedlichen Ansprüchen Vieler Rechnung getragen werden soll. Immer ist auch das Ganze betroffen. Menschen und Stadt sind ein eng vernetztes sozial-räumliches System. Erfahrung zeigt, dass wohlmeinendes Integrieren in sektoralen Fachplanungen nicht ausreicht. Die Optimierung einzelner Lebensbereiche ist zwar anstrebenswert, nur wie geht das, wenn die ganze Stadt im Fokus ist? Einbezogen ist die ganze Stadt letztlich immer, denn kein noch so kleines Problem ist ein isoliertes; oft entpuppt es sich als ein urbanes und globales. Gefragt sind Vorschläge für Lösungen, die sich längerfristig in der Lebenspraxis von Quartieren und Städten bewähren. Das erfordert anstrengende Kommunikation, denn es geht nicht um akzeptierte Selbstverständlichkeiten. Aufgezwungene und dann erduldend hinzunehmende Lösungen finden keine breite Akzeptanz mehr.

 

Inklusion könnte das Leitwort werden. Der Grad tatsächlicher und positiv gefühlter Einbezogenheit in das soziale Geschehen ist ausschlaggebend. Die Gewissheit ist gefragt, dass wie auch immer geartete menschliche Besonderheiten, von Behinderungen über Fremde bis zu anderen Meinungen, nicht ausgegrenzt werden, wenn es darum geht, was für die Stadt, in der man lebt, gut ist und was schlecht ist. Die Maxime „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ gilt tendenziell immer weniger, so meine optimistische Einschätzung. Ein beinahe überall auf dem Globus erkennbarer neuer, überwiegend noch informeller gesellschaftlicher Akteur, der mittels sozialer Netzwerke schnell mobilisiert ist, erfordert das Nachdenken über neue Ordnungsformen und Legitimationen bei demokratischen entwicklungspolitischen Entscheidungen. Die Maßstäbe für gutes Regieren ändern sich mehr oder weniger weltweit; sie werden zumindest infrage gestellt. UN-Aktivitäten haben wesentlich dazu beigetragen. Diktaturen fürchten sich davor.

 

Entwicklungen haben ihre Geschichte. In Deutschland artikulierte sich Ende der 1960er Jahre solches Einbezogen-Sein-Wollen zuerst in den Statteilen und Quartieren mit den Entdeckungen der eigenen Orte und Menschen und mit einem aktiv vertretenen Quartiersbewusstsein. Zwei Schlagwort-Aussagen standen dafür: ‚Mehr Demokratie wagen’ und ‚Mehr Bürgerbeteiligung’. Dies aufklärerische Wollen hat sich vielfältig weiterentwickelt und stagniert nicht, wobei Motivation und Antrieb der Partner manchmal durchaus kritisch gesehen werden dürfen. Nicht alles, was diskutiert wurde und wird, verrät Gemeinwohlorientierung. Das Böse darf keine Chance bekommen. Die in unserem lokalen „zu Hause“, im Quartier und in der Stadt, anstehenden Probleme, bis hin zu denjenigen in unserem großen globalen „zu Hause“, auf dem Planeten, erfordern Nachdenken und Handeln.

 

Insgesamt ist Inklusion für die Ziele der am 24. Oktober 1945 in Kraft getretenen Charta der Vereinten Nationen ein Schlüsselwort. Die ausgeweitete Nutzung des Wortes im Kontext von Problemen, deren Lösungen Menschlichkeit verlangen, ist allemal gerechtfertigt. Am Anfang war das Wort. Inklusion sollte der für alle Handlungsfelder geltende Begriff auf dem Weg zum übergeordneten Ziel werden: Sicherung einer mit demokratischen Spielregeln geordneten gesellschaftlichen Zukunft.

 

11. Januar 2016 - Dittmar Machule