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Once a year, the Foundation organises a symposium focusing on topical issues relating to the cities. Future issues, approaches to solving current problems, and the result of the surveys conducted by the Foundation are discussed by representatives from the worlds of culture, politics, business and society. These fruitful discussions are made available to a wide specialist readership through the “Lebendige Stadt” journal.

Stadtkulturen

Sport, Kultur, Wohnen

Kongress 2005
Stadtkultur und Sport wecken Emotionen

Von RALF VON DER HEIDE

 

Gänsehautstimmung in der Münchner Allianz Arena: Mit stehenden Ovationen bedankten sich die begeisterten Zuschauer bei den Spielern des FC Bayern und der „Lebendigen Stadt“. Das Benefizspiel der Fußball-Altstars gegen eine europäische Bürgermeisterauswahl war einer der sportlichen Höhepunkte beim diesjährigen Kongress der Stadtkulturen, zu dem die Stiftung „Lebendige Stadt“ in die bayerische Landeshauptstadt eingeladen hatte. Auf der zweitägigen Städtetagung diskutierten über 1.000 Persönlichkeiten aus Politik, Sport, Kultur und Medien kontrovers über die neuen Herausforderungen der europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts.

 

Themenschwerpunkt des Münchner Kongresses waren Sport, Kultur und Wohnen. Zu den mehr als tausend Teilnehmern aus elf europäischen Ländern zählten allein über 150 Oberbürgermeister und kommunale Spitzenvertreter sowie Minister, Wirtschaftskapitäne, Wissenschaftler, Architekten und Künstler. Spektakulärer Schauplatz der Veranstaltung war die neue Allianz Arena, in der am 9. Juni 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet wird.

 

Bayern-Manager Uli Hoeneß lobte auf dem Kongress die „geniale Zusammenarbeit“ der Stadt München mit den beiden Fußballvereinen FC Bayern und TSV 1860. Die Stadt habe das Projekt bei den Infrastrukturkosten tatkräftig unterstützt. In 20 Jahren sei das Stadion schuldenfrei, so Hoeneß. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude wies in diesem Zusammenhang die öffentliche Kritik am Engagement der Stadt für die Arena zurück. Beim Bau von Sportstätten gehe es nicht nur darum, Fangemeinden und Sportbegeisterte zufrieden zu stellen. „Sportereignisse werden von allen Generationen und Nationalitäten wahrgenommen. Sie entfalten eine Kraft, die in die Gesellschaft hinein integrierend wirkt“, sagte Ude, der zugleich auch Präsident des Deutschen Städtetags ist.

 

Vor dem Hintergrund des technologischen, ökonomischen und demographischen Wandels in der Gesellschaft sieht Ude in Zukunft wahre „Aufgabenexplosionen“ auf die Städte zukommen. „Uns gehen die Kinder aus und wir werden älter“, sagte Ude. Dadurch würden die Anforderungen an die Kommunen aber nicht etwa geringer, sondern sie verdoppelten sich geradezu. „Wir brauchen in Zukunft mehr Angebote für ältere Menschen und für die Kinder.“ Einer Auszehrung der Kommunen müsse deshalb vehement entgegengewirkt werden, um die Lebendigkeit der Städte zu erhalten.

 

Auch Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“, betonte in seiner Begrüßung den großen Veränderungsdruck, der auf den Kommunen laste. Er mahnte an, wie wichtig eine tiefgreifende Föderalismusreform und vor allem eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Städte sei. „Denn nur so ist es möglich, innovative und zukunftsweisende Ideen auch umzusetzen“, so Otto.

 

Bayerns Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein hob besonders die Bedeutung des Sports als Wirtschaftsfaktor und Entwicklungsmotor hervor. Durch Sportveranstaltungen wie Stadtmarathonläufe und Bladenights, so Beckstein, könne zudem die Bindung junger Menschen an ihre Stadt gestärkt werden. Gleichzeitig unterstrich der Minister die Bedeutung des Breitensports und seine wichtige Funktion bei der Integration von Migranten.

 

Beim Bau moderner Sportstätten sind nach Auffassung von Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz ganz neue Formen der Zusammenarbeit und Finanzierung zwischen öffentlicher Hand, Bürgerschaft und Wirtschaft erforderlich. „Sportstätten der Zukunft sind modern, multifunktional und multimedial und werden privatwirtschaftlich finanziert, unterhalten und vermarktet“, so Volquartz. Sportangebote zum Nulltarif seien in Zukunft eher die Ausnahme, glaubt die Kieler Oberbürgermeisterin.

 

Für den Vizepräsidenten des Deutschen Sportbundes und des Deutschen Fußball-Bundes, Dr. Hans-Georg Moldenhauer, darf der Sport angesichts leerer öffentlicher Kassen aber keineswegs ins Hintertreffen geraten: „Ich ärgere mich immer darüber, die schlechte Finanzlage vorgehalten zu bekommen.“ Kommunen und Sport müssten vielmehr im Interesse der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in einem Boot sitzen, so Moldenhauer. Welche Bedeutung Bürgermeister für die Vitalisierung ihrer Städte haben können, machte die Sportlerin des Jahres 2004 und erfolgreichste deutsche Olympionikin, Birgit Fischer, am Beispiel ihrer Heimatstadt Brandenburg an der Havel deutlich. Dort habe man die ersten Jahre nach der Wende total verschlafen und sei erst jetzt mit einer neuen Bürgermeisterin dabei, die versäumten Entwicklungen aufzuholen.

 

Ein weiterer Schwerpunkt des Münchner Kongresses befasste sich mit der Rolle der Kultur als Motor für die Stadtentwicklung. So zeigte Fabrice Lextrait, ehemaliger Referent des früheren französischen Kulturministers Prof. Jack Lang, wie mit großen Kulturprojekten ganze Stadtquartiere positiv beeinflusst werden können. Beispiele dafür sind die gläserne Pyramide am Pariser Louvre und der neue Triumphbogen La Grande Arche in La Défense. Der saarländische Wirtschaftsminister Dr. Hanspeter Georgi berichtete u.a. über die Völklinger Hütte – eine einstige Industrieanlage, die inzwischen als kulturelle Begegnungsstätte zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.

 

Ein Beispiel für die Wiederbelebung eines Museums gab die Direktorin der Kunstsammlungen in Chemnitz, Ingrid Mössinger. Das traditionsreiche Haus führte in der DDR ein Schattendasein und zählt heute – dank zahlreicher privater Unterstützer – wieder zu den herausragenden Kulturinstitutionen in Deutschland. In einer Podiumsdiskussion mit Theaterintendantin Susanne Heydenreich, Lichtkünstler Michael Batz und Wirtschaftsminister Georgi forderte Hamburgs Kultursenatorin Prof. Dr. Karin von Welck mehr Bündnisse zwischen Kultur und Wirtschaft.

 

Wie entwickelt sich die Wohnkultur in den Städten? Dies war eine der Leitfragen des dritten Themenblocks auf dem Stiftungskongress. Der Stadtplaner und Architekt Prof. Albert Speer betonte die Chancen, die aus den gesellschaftlichen Veränderungen für die Städte entstehen. Man müsse den Schrumpfungsprozess nutzen, um die Städte wieder attraktiver zu gestalten. So verfolgt die Stadt Ludwigshafen nach Darstellung von Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse eine vorsichtige Entdichtung ehemals eng besiedelter Innenstadtquartiere. Wichtig sei dabei eine richtige Mischung der Generationen und Funktionen, so Lohse.

 

Münchens Stadtbaurätin Prof. Christiane Thalgott räumte mit dem Klischee auf, dass Familien am Stadtrand im Grünen wohnen möchten. Inzwischen würden viele junge Familien gerne in die Stadt ziehen. Voraussetzung seien aber bezahlbare Wohnungen in der richtigen Größe. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma forderte von den Architekten flexiblere Grundrisse, die auch zukünftigen Anforderungen gerecht werden. Am Beispiel der alten Hansestadt Danzig zeigte schließlich Stadtpräsident Pawel Adamowicz, wie durch behutsame Restauration historischer Gebäude und das Hinzufügen moderner Nutzungen neues Leben in die Stadt gebracht werden kann.

 

„Es kann auch Mittelstandsghettos geben“

Ein wichtiges Thema auf dem Kongress der Stadtkulturen war die Bildung von Wohnghettos in den Städten. „Jede Stadt hat ghettoähnliche Strukturen“, so Dr. Konrad Hummel, Sozialdezernent in Augsburg. Diese seien aber nicht immer dort, wo Armut herrsche. „Es kann auch Mittelstands- oder liberal-intellektuelle Ghettos geben, wenn sie keine offenen Strukturen haben“, so Hummel.

 

Als besondere Problemzonen der Stadt macht Hummel die peripheren urbanen Schnittstellen zwischen City und Umland aus. Diese Gebiete prägten wichtige Teile unserer Städte. Hier gelte es, an der Identitätsbildung zu arbeiten und die vorhandenen Ressourcen zu stärken. Hummel: „Die Misere ist, dass uns der Sozialstaat erzogen hat, in Defiziten zu denken.“ Stattdessen müsse die Gesellschaft mobilisiert werden, die Probleme selbst in den Griff zu bekommen. Eine Arbeitsteilung von Bürgerschaft und Stadt sei jetzt dringend erforderlich. Die Bürger müssten sich aktiv beteiligen und Verantwortung übernehmen.

 

Weitere Referenten auf dem Kongress der Stadtkulturen waren u.a. Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin, Essens Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger, der ehemalige ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser, Prof. Dr. Wentz, Geschäftsführer WCP, Münchens Bürgermeisterin Dr. Gertraud Burkert, ihr Münchner Bürgermeisterkollege Hep Monatzeder sowie Münchens Wirtschaftsdezernent Dr. Reinhard Wieczorek.

 

30.000 Euro für Flutopfer in Sri Lanka

Kultureller Höhepunkt des Kongresses war ein großer Benefiz-Gala-Abend mit Tombola zugunsten des Vereins „FC Bayern Hilfe“. Der im April dieses Jahres gegründete Verein unterstützt unschuldig in Not geratene Menschen – zum Beispiel Flutopfer in Sri Lanka. Am Ende des Abends konnte ein Gesamterlös von 30.000 Euro an den Vorsitzenden der „Bayern Hilfe“, Willi Gerner, überreicht werden. Künstlerisch umrahmt wurde der Abend durch ein spektakuläres Licht-Klangbild-Event im Innenraum der Allianz Arena, in Szene gesetzt vom renommierten Hamburger Lichtkünstler Michael Batz. Zentrales Element dieser Inszenierung mit über 500 Statisten war ein „Blue Goal“ – ein blau leuchtendes Tor. Unterstützt wurde der „Kongress der Stadtkulturen“ u.a. von Adidas, Alli­anz, Audi, Caparol, Paulaner, Philips, Sairally, Schwäbisch Hall und der Wall AG.

 

Der Münchner Kongress war bereits die fünfte Stiftungsveranstaltung die­ser Art. 2001 tagte die „Lebendige Stadt“ im NRW-Forum in Düsseldorf, 2002 in der Autostadt Wolfsburg, 2003 in den Leipziger Messehallen und 2004 im Musical-Theater im Hamburger Hafen. Auch der Ort für den nächsten Stiftungs-Kongress im Jahr 2006 steht bereits fest: das „Colosseum Theater“ in Essen.