Der Preis der Stiftung

Die Stiftung prämiert Projekte die in besonderer Weise „Best-Practice-Charakter” haben und sich zur Nachahmung empfehlen. Dazu ruft die Stiftung im Wettbewerb Städte, Gemeinden, Institutionen, Universitäten, Vereine und Private auf, sich zu bewerben. Der Preis ist mit 15.000,- Euro dotiert und wird feierlich an repräsentativen Orten verliehen.

Stiftungspreis 2014

Die lebendigste Erinnerungsstadt

Die lebendigste Erinnerungsstadt

Gedenken – Bewusst machen – Identität stiften

Die Stiftung „Lebendige Stadt“ hat Leipzig als „lebendigste Erinnerungsstadt“ gekürt. Mit dem „Notenspur-Projekt“ gewinnt Leipzig den diesjährigen Stiftungspreis und erhält ein Preisgeld von 15.000 Euro. Auszeichnungen erhielten zudem die Städte Hattingen/Sprockhövel, Krakau, Lublin, Trier und Warendorf. 437 Bewerbungen aus dem In- und Ausland wurden eingereicht.

 

Anerkennungen gingen an die Städte Achern (Baden-Württemberg) (Schaffung einer Begegnungsstätte mit Museum, Bistro und Schülerforschungszentrum in der Illenau), Bordesholm (Schleswig-Holstein) (Bordesholmer Klosterinsel – gestern, heute und morgen), Bonn (Erinnerungsdenkmal zur Bücherverbrennung am 10.05.1933), Dorsten (Anstiftung zur Stadtentdeckung), Essen (ESSEN.ALTSTADT.ANSICHTEN), Forst (Lausitz) („Heinrich Graf von Brühl und die Herrschaft Forst-Pförten“), Helmstedt (Helmstedt - grenzenlos), Herne (Nahtstellen fühl bar) Ingolstadt (Das Fotoalbum), Kaßberg/Chemnitz (Kaßberggefängnis – Lernen und Gedenken), Nürtingen (Frauengeschichtswerkstatt der VHS Nürtlingen) sowie Speyer (Stadtgeschichte 2.0).

Sieger des Stiftungspreises 2014: Leipzig (Preisgeld: 15.000 Euro)

Die Notenspur veranschaulicht an unterschiedlichsten Orten Leipzigs die 800 jährige Musikgeschichte der Stadt. In Bürgerhäusern, Kirchen, Kaffeehäusern, Verlagen und Ausbildungsstätten kann man erfahren, wie u.a. die Komponisten Bach, Mendelssohn und Schumann gewirkt haben. Ein Wege- und Audioleitsystem verbindet die Orte und erläutert ihre musikalische Bedeutung. Gleichzeitig werden mittels Stadt- und Kulturgeschichte, Stadtentwicklung, Bildung, Stadtgrün und Mobilität neue Zugänge zur Musik geschaffen.

 

Das Notenspur-Projekt erschließt Musikgeschichte auf vielfältige Weise, so u.a. durch musikbezogene Stadtspaziergänge, die 2012 eingeweihte Notenspur selbst und den Notenbogen, dessen Eröffnung für 2018 vorgesehen ist. Auch eine Musikerkundung mit dem Fahrrad ist in Planung und soll 2016 möglich sein. Für Kinder werden Entdeckungstouren in Form der „Kleinen Leipziger Notenspur“ angeboten sowie Musikprojekte für Kinder mit Migrationshintergrund. Damit werden alle Generationen und Kulturen angesprochen und zur Interaktion aufgerufen.

 

Gestartet wurde das Projekt 2008 durch den Notenspur-Förderverein und das Kulturdezernat der Stadt Leipzig. Auf leichte Art bezieht es Themen wie Kultur, Stadtentwicklung, Bildung, Tourismus, interkulturellen Austausch oder jüdische Geschichte ein. Schnell wurde daraus ein stadtumfassendes Musikprojekt. Ehrenamtliche, gemeinnützige Vereine, Kulturinstitutionen, die Leipziger Tourismus GmbH und die lokale Wirtschaft engagieren sich für das Projekt, wodurch dieses ein hohes Maß an Identität erfährt.

 

Die Notenspur ist ein Alleinstellungsmerkmal und hat sich als kulturelle Dachmarke im Stadtmarketing etabliert. Aufgrund ihrer Strahlkraft weit über die Stadt hinaus hat die Kultusministerkonferenz eine Bewerbung der Leipziger Notenspur für das Europäische Kulturerbe-Siegel vorgeschlagen.

 

Auszeichnung: Hattingen/Sprockhövel (Preisgeld: 1.000 Euro)

„Wohlstand, Freiheit und Bildung für alle“ – das war der Wahlspruch der Demokratin und Frauenrechtlerin Mathilde Franziska Anneke (1817 bis 1884). Ihr Lebenswerk ist für beide Stäte ein kulturelles Erbe, das es zu erhalten und lebendig zu gestalten gilt. So ist es wichtiger Beitrag zur demokratischen Tradition in Deutschland und Vorbild für gesellschaftliches Engagement.

Seit mehr als 25 Jahren erinnern Bildungs- und Kulturinstitutionen wie auch engagierte Bürgerinnen und Bürger der Städte Hattingen und Sprockhövel durch vielfältige Aktivitäten an das Wirken der lange Zeit in Vergessenheit geratenen Aktivistin: So erinnern Tafeln an den drei Anneke-Häusern in Hattingen und Sprockhövel an sie und die ortsansässige Hauptschule wurde nach ihr benannt. Seit 2010 werden alle zwei Jahre Bürgerinnen und Bürger für besonderes gesellschaftliches Engagement und außerordentliche Zivilcourage mit dem Anneke-Preis geehrt. Ihr Wirken soll somit zum Nachahmen anstiften und Vorbildfunktion haben. Der Förderverein VHS Hattingen sowie ortsansässige Museen veranstalten Lesungen aus ihren Werken sowie ihrer Biographie. Sonderausstellungen zum Thema „ Helden“ in Hattingen bieten vielseitige Informationen über ihr Lebenswerk und ihre Persönlichkeit.

Besonders hervorzuheben ist, dass zum Aufbau der Erinnerungskultur keinerlei Etat vorhanden ist. Getragen wird das Projekt maßgeblich vom Engagement vieler ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger in beiden Städten.

 

Auszeichnung: Krakau/Polen (Preisgeld: 1.000 Euro)

Die Stadt Krakau entschied sich, auf dem Grundstück der ehemaligen Fabrik von Unternehmer Oscar Schindler in der brachliegenden Industriestätte Zablocie ein Museum für zeitgenössische Kunst zu errichten. Auf diesem Fabrik-Gelände rettete Oskar Schindler mehr als 700 Juden vor der Deportation. 

Mit dem Museumsbau war nicht nur die Revitalisierung des Areals verbunden. Es sollte gleichzeitig Impulse für die städtische Entwicklung setzen. Die Integration in das historisch geprägte Umfeld gelang mittels geleiteter Rundgänge zur Geschichte dieses Stadtteils. Das Museum kooperiert eng mit den städtischen Schulen in Form von Bildungsprogrammen, Veranstaltungen und Workshops.

 

Mittels Kunst verbindet das Museum die Vergangenheit mit der Gegenwart des Ortes. Es schafft nicht nur wertvolle Arbeitsplätze für die Bewohner, sondern fördert über Kunst und Kultur die Identifikation mit der Stadt. Die an das Museum angeschlossene Galerie stellt ausschließlich Werke junger Künstler aus und setzt somit ein wichtiges Zeichen zur regionalen Kunstförderung. 

Es ist dem Museum gelungen, sich nicht nur als Wahrzeichen auf der nationalen Museumslandkarte zu etablieren, sondern als Institution zur positiven Aufwertung des nachbarschaftlichen Umfelds beizutragen. Bereits nach vier Jahren wurde Zablocie zu einem attraktiven Wohngebiet. Kreative Leute und Künstler, sowie moderne Dienstleistungsfirmen haben sich hier angesiedelt und beleben das Viertel.

 

Auszeichnung: Lublin/Polen (Preisgeld: 1.000 Euro)

Lublin war eine Stadt, die lange Zeit von christlichem und jüdischem Leben geprägt war. Nach der systematischen Vernichtung der Juden erinnert in Lublin nicht mehr viel an das frühere jüdische Leben. Aufgrund dieser Tatsache begann in den 1990er Jahren das „Grodzka-Tor - NN Theater“- Zentrum als lokale und staatliche Kulturinstitution mit der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Lublins. Eine längst vergessene und niemals festgehaltene Stadtgeschichte jüdischen Lebens wurde somit erforscht. Einbezogen wurden dabei explizit auch jüngere Menschen, um sie mit der Vergangenheit zu konfrontieren.

Das Godzka-Tor oder auch“ Bogen der Erinnerung“ hat sich inzwischen zu einem großen Archiv einer nicht mehr existierenden jüdischen Stadt entwickelt. Alte Fotografien und Dokumente sind für zukünftige Generationen aufbereitet worden. Bestandteil der Erinnerungskultur sind zudem Treffen Jugendlicher aus Lublin und Gleichaltriger aus Israel, Deutschland und anderen Ländern. Die Treffen haben in den letzten fünf Jahren mehr als 10.000 Teilnehmer besucht.

Jährlich werden am 16. März, dem Tag des Beginns der Vernichtung der Juden in Lublin, am Godzka-Tor die Namen aller Bewohner, die in der Vorkriegszeit hier wohnten, verlesen. Außerdem werden im ehemaligen jüdischen Stadtteil am Gedenktag die Lichter ausgeschaltet, während sie auf der anderen Seite des Tores erleuchtet bleiben. Auf diese Weise wird das Tor für kurze Zeit zu einem symbolischen Übergang zwischen Licht und Dunkel.

Diese Form der Erinnerungskultur trägt in Lublin dazu bei, bewusst zu machen, welchen Verlust die Vernichtung jüdischen Lebens auch heute noch bedeutet und gleichzeitig wird an die Greueltaten in dem Bewusstsein erinnert, das sich derartiges nie wiederholen darf.

 

Auszeichnung: Trier (Preisgeld: 1.000 Euro)

„Trier Univers.City – Wege zur kreativen Stadt“ verfolgt das Ziel, unter Einbeziehung der „Ressource Jugend“ Stadt- und Hochschulentwicklung in einen lebendigen Austausch zu bringen und so das Image Triers als älteste Stadt Deutschlands kreativ in die Zukunft zu transportieren. Die Stadt wird dabei als universeller Lernort verstanden. Angehende Architekten, junge Designer und Medienkreative helfen mit, das Erinnerungspotenzial der Stadt zu heben und so die Identität der Stadt zu stärken. „Auf dem Weg zur kreativen Stadt“ liefert dieses Projekt eine Vielzahl produktiver Beispiele und Impulse:

So wurde unter der Überschrift „Orte und Potenziale“ ausgehend von der früheren „Werkkunstschule am Paulusplatz“ eine Campusperspektive eröffnet, die das Potenzial hat, eine neue, kulturelle Mitte beidseitig des Moselufers herauszubilden. International ausgezeichnete Brückenentwürfe von Masterstudierenden gewinnen so auch symbolisch-politische Bedeutung, wobei „Überbrücken“ Programm ist. Zudem haben Studierende unter dem Leitmotiv „Gedächtnis und Erinnerung“ einen Stolperstein-Guide entwickelt, der über eine Media-App verfügbar ist.

„Trier Univers.City“ folgt einem bottom-up-Ansatz, indem konkrete Maßnahmen auf vielfältigen partizipatorischen Strukturen basieren und auch durch Einsatz interaktiver und sozialer Medien umgesetzt werden. Gleichzeitig sorgt ein top-down-Ansatz dafür, dass der Prozess auf strategischer Ebene auf Nachhaltigkeit angelegt ist.

 

Auszeichnung: Warendorf (Preisgeld 1.000 Euro)

Seit 1993 ist das dezentrale Stadtmuseum in Warendorf wichtiger Bestandteil der Geschichtsvermittlung. Das Stadtmuseum umfasst verschiedene historische Gebäude, die an ihrem ursprünglichen Standort erhalten sind. Damit wird das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Stadtgefüge in seinen gewachsenen Strukturen bewusst gemachen und die damalige Wohn- und Arbeitssituationen veranschaulicht. Auf einem Stadtrundgang kann man einzelne historische Gebäude auch von innen erleben. 

In kleinen Schritten sind die Initiatoren den Aufbau dieses Museums angegangen. Die Objekte werden zunächst in ihrer Baugeschichte erforscht und in ihrer Besitz-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte dokumentiert. Auf dieser Grundlage wird die jeweilige Aussage des Gebäudes zu seiner Kulturgeschichte und innerhalb der städtischen Gesamtstruktur bewertet und eingebunden. Neben angekauften und so auf Dauer für das Museum gesicherten Gebäuden sollen weitere Stationen auch durch langfristige Miet- und Pachtverträge geschaffen werden. 

Getragen wird der Museumsbetrieb von bürgerschaftlichem Engagement, an der Spitze der Verein „Altstadtfreunde Warendorf“, der Heimatverein Warendorf sowie die Stadt Warendorf. Die Mitglieder organisieren Sonderausstellungen, Back- und Waschtage, Themenführungen, führen kleinere Reparaturen an Häusern und Exponaten durch und kümmern sich um die Inventarisierung und Dokumentation der Exponate.

 

Die Preisjury

Dipl.-Ing. BDA Kaspar Kraemer, Kaspar Kraemer Architekten BDA

Dr. Michael Bigdon, Leiter, Dezernat für Wirtschaft, Bauen und Umwelt, Bezirk Hamburg-Nord

Michael Faber, Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur der Stadt Leipzig

Holger Grewe, Mittelalterarchäologe, Leiter der Forschungsstelle Kaiserpfalz Ingelheim

Dr. Heike Kaster-Meurer, Oberbürgermeisterin Bad Kreuznach

Hermann Marth, Vorstandsvorsitzender Zeche Zollverein

Christine M. Merkel, Dt. Unesco-Kommission e.V. Leiterin FB Kultur

Hans-Josef Vogel, Bürgermeister der Stadt Arnsberg

Dr. Thomas Werner, Stadtkonservator, Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege, Köln

Dr. Rosemarie Wilcken, Vorstandsvorsitzende, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Dr. Irmgard Zündorf, Zentrum für Zeithistorische Forschung