Know-How Austausch

Einmal im Jahr veranstaltet die Stiftung eine Fachtagung zu aktuellen Problemen der Städte. Zukunftsthemen, Lösungsansätze und „Best-Practice-Beispiele“ werden diskutiert und einem breiten Fachpublikum von kommunalen Entscheidungsträgern zugänglich gemacht.

Digitaler Runder Tisch 2021 Digitaler Runder Tisch 2021

Leben in der neuen Normalität

Corona und zwei harte Lockdowns zwingen die Städte zu Veränderungen. Doch welche Maßnahmen sind nötig, um den Paradigmenwechsel voranzutreiben und den innerstädtischen Raum neu auszurichten? Darüber wurde beim 4. virtuellen Runden Tisch zum Thema „Zukunft der Innenstädte“ diskutiert.

Corona und zwei harte Lockdowns zwingen die Städte zu Veränderungen. Doch welche Maßnahmen sind nötig, um den Paradigmenwechsel voranzutreiben und den innerstädtischen Raum neu auszurichten? Darüber diskutierten beim 4. virtuellen Runden Tisch zum Thema „Zukunft der Innenstädte“ die Gremienmitglieder der Stiftung „Lebendige Stadt“, darunter Landesminister, Oberbürgermeister, Wissenschaftler sowie Repräsentanten aus Wirtschaft, Kultur und Sport.

 

„Die Lage ist dramatisch“ beschrieb Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“, die Situation der Innenstädte. Insbesondere die Lebendigkeit und Vielfalt vieler mittlerer und kleinerer Städte ist massiv bedroht, so Otto. „Vor allem die Situation im Einzelhandel macht uns große Sorgen“, betonte Eva Lohse, Präsidentin des Deutschen Städtetags a.D.. So seien in Deutschland allein im Einzelhandel aktuell 1,6 Mio. Menschen betroffen, davon 75 Prozent von ihnen mit absoluter Existenzgefahr. 

 

„Wir müssen schnell handeln und mit aller Macht dafür kämpfen, dass der Einzelhandel wieder geöffnet wird“, sagte Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe und sprach damit auch für Alexander Otto, der bereits einen Dominoeffekt befürchtet. „Was wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, wird über Monate vernichtet – und es wächst nur wenig nach“, so Otto. Dr. Hanspeter Georgi, ehemaliger saarländischer Minister für Wirtschaft und Arbeit, forderte daher starke Korrekturen, um die Firmen wieder zu stabilisieren: „Wir müssen handeln – und zwar jetzt.“

 

Thomas Eiskirch, 1. Oberbürgermeister in Bochum, sieht in der Krise aber auch die Chance, „den Paradigmenwechsel in den Städten aktiv voranzutreiben und den innerstädtischen Raum neu auszurichten“. Für seine Stadt hat Eiskirch daher bereits zahlreiche Visionen und Strategien entwickelt und umgesetzt, die er den fast 50 Teilnehmern am Runden Tisch der Stiftung „Lebendige Stadt“ als Best-Practice-Beispiele präsentierte.

 

Damit stieß er eine äußerst lebhafte Diskussion über Angebote, Maßnahmen und Nutzungskonzepte an.

 

„Bisher hatten wir durch den Handel immer genügend Frequenz in den Innenstädten. Jetzt heißt es, für den Handel mehr Frequenz in die Innenstädte zu bekommen“, fasste Georgi die Situation zusammen. Doch wie lässt sich dieser Transformationsprozess ohne große Brüche gestalten? Und was braucht es, um die Innenstädte ihrer Typologie entsprechend wieder so attraktiv zu gestalten, dass auch der Einzelhandel prosperieren kann? Die Teilnehmer des Runden Tisches regten folgende Maßnahmen und Lösungsansätze an:

 

Innenstädte individualisieren

„Wenn wir uns abheben wollen, dann müssen wir das Besondere, also das, was uns als Region und Kommune von anderen abhebt, in die Innenstadt zurückholen. Das gehört in Zukunft zum Einkaufserlebnis dazu“, sagte Thomas Eiskirch, 1. Oberbürgermeister der Stadt Bochum.

 

Citymanager, die anpacken und nicht warten

Gefragt sind schnelle, pragmatische Lösungen. „Hierfür benötigen wir Akteure mit Managementqualitäten, die für die Zeit nach der Öffnung ein 100-Tage-Programm entwickeln, um wieder Lust auf die City und ihre Angebote zu machen“, so der Vorschlag von Ulrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund a.D..

 

Das Wohnen zurückholen

„Das Wohnen muss in den Kern der Innenstädte zurückgeholt werden“, sagte Dr. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses. Wo Raum fehle, müsse man diesen notfalls auch schaffen. So wie beispielsweise in Bochum, wo man einen Verwaltungsstandort in der Innenstadt abreißt, um Raum für Wohnen zu ermöglichen.

 

Innenstädte digitalisieren

„50 Prozent der Online-User kaufen bei Amazon ein und sind damit für den Handel verloren“, gab Alexander Otto zu Bedenken. Viele Städte setzen daher gezielt auf eine Mischung aus Haptik und digitalem Erleben. „Allerdings wäre es vermessen zu glauben, dass kleinere Geschäfte sich eine eigene Online-Plattform zulegen und dann automatisch erfolgreich sind. Es braucht dafür ein entsprechend gutes Ranking bei den Suchmaschinen. Wir machen gute Erfahrungen mit einem Poolsystem, in das sich alle einbringen können“, sagte Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe.

 

Traffic lenken

In Bochum bündelt man alte und neue Attraktionen auf der „Kulturachse“. Gegenüber dem historischen Rathaus entsteht hier gerade das Haus des Wissens, das – ausgestattet mit einer Bibliothek und einem modernen Marktplatz – schon bald die Menschen in die Stadt locken soll. Über ein ähnliches Konzept denkt auch Bernd Rubelt, Beigeordneter im Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt in Potsdam nach. Zu den Herausforderungen seiner Stadt gehören vor allem die Touristen. Hier gilt es „Frequenz und Lebensqualität miteinander zu vereinen“, so Rubelt.

 

Bestehende Strukturen erhalten

Dr. Daniel Terberger, Vorstandsvorsitzender der Katag AG, warnte dagegen vor zu viel Erneuerung. Er sagte: „Mittelständer mit einer 30-jährigen Tradition bekommen wir nie zurück. Sie benötigen jetzt Subventionen. In einem halben Jahr ist es vermutlich schon zu spät. Wir brauchen jetzt eine Öffnungsstrategie.“

 

Förderprogramme nutzen

Viele Förderprogramme verlieren sich im Detail, kritisierte Alexander Otto. Was wiederum dazu führe, dass viele der zur Verfügung gestellten Gelder nicht abgerufen werden, so Anja Hajduk, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag.

 

Kultur und Events wieder zulassen

„Und auch Kultur und Events sind ganz maßgeblich für den Restart und Kern einer lebendigen Innenstadt“, so Ministerin a.D. Dr. Monika Griefahn.