Stiftung „Lebendige Stadt”

Seit dem Jahr 2000 engagiert sich die Stiftung „Lebendige Stadt” unter ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Alexander Otto erfolgreich für die Zukunft unserer Städte. Die urbane Vielfalt aus Arbeit, Kultur und Wohnen gilt es zu erhalten und mit zu gestalten. Themenschwerpunkte bilden die Bereiche Licht, Grün und Gestaltung öffentlicher Räume.

22.11.2019

Positionspapier zur Steuerung von Stadterweiterung/Nachverdichtung

Hamburg, im November 2019 – Die Stiftung „Lebendige Stadt“ bekennt sich zur „Leipzig-Charta zur nachhaltigen Europäischen Stadt“ von 2007 und zur „Düsseldorfer Erklärung zum Städtebaurecht“ vom 8. Mai 2019. 50 Stadtbauräte, Dezernenten und Planungsamtsleiter aus über 40 deutschen Städten haben die „Düsseldorfer Erklärung“ unterzeichnet. Sie fordern darin eine grundlegende Novellierung der Baunutzungsverordnung und der Verwaltungsvorschrift TA-Lärm, damit „in Zukunft schöne und lebensfähige Stadtquartiere planbar werden und nicht an überholten planungsrechtlichen Restriktionen scheitern“.


Die Stiftung „Lebendige Stadt“ setzt sich für den Erhalt und die Schaffung attraktiver und lebenswerter Städte ein. In ihren Gremien wirken daran Entscheider aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen mit. Gemeinsam haben sie die „Düsseldorfer Erklärung“ um einige Punkte ergänzt und konkretisiert, um Stadterweiterung und Nachverdichtung angesichts des Wachstums gerade vieler großer Städte verträglich zu steuern, aber auch zu ermöglichen.


Entstanden ist dieses Positionspapier mit zehn Punkten, für dessen Umsetzung sich die Stiftung „Lebendige Stadt“ einsetzt:



  1. Stadtentwicklung und Städtebau sollten entlang der vorhandenen urbanen Achsen vom Zentrum in die Außenbereiche erfolgen.

  2. Stadterweiterung und Nachverdichtung sollten nach Möglichkeit organisch vom gewachsenen Bestand ausgehen. Sind adäquate Flächen verfügbar und werden besonders starke Mieterhöhungen beobachtet, sind beide Entwicklungsformen gleichrangig zu ermöglichen. Andernfalls sollte Nachverdichtung vorrangig vor Stadterweiterung entlang der Hauptverkehrsadern unter Berücksichtigung des aktiven und passiven Lärmschutzes sowie klimarelevanter Grün- und Freiflächen betrieben werden.

  3. Durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und Anreize sollten Nachverdichtungen vor allem bei leerstehenden und ungenutzten Flächen erleichtert werden. Zudem bietet sich die oft heterogen strukturierte Stadtperipherie als urbanes Reservoir für Wohnverdichtung an. Gleichwohl wird in den Kernstädten der Metropolregionen der Mangel an Wohnraum häufig nur durch Außenentwicklung zu bewältigen sein.

  4. Das Vorhandensein und die Ausgestaltung der technischen Infrastruktur (u.a. Verkehr und Kommunikation) sind ganz maßgeblich für die Versorgung und Mobilität der Menschen und somit ein Kriterium für die Qualität neuer Wohnquartiere.

  5. Ein Teil des Drucks auf die Metropolregionen kann gemindert werden, wenn die ländlichen Räume in ihrer Attraktivität erhalten bzw. gesteigert würden. Dies wäre insbesondere durch eine bessere Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr und eine verstärkte Digitalisierung zu erreichen. Grundsätzlich sollte die Erschließung neuer Quartiere in suburbanen bis ländlichen Räumen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen einhergehen, um Wohnen und Arbeiten gerade außerhalb der Verdichtungsräume noch besser zu vereinen und das Verkehrsaufkommen durch Berufspendler zu reduzieren. Ein ausbaufähiger ÖPNV-Anschluss sollte bereits in unmittelbarer Nähe bestehen, der in geeigneter Weise den Personentransport sicherstellt. Zudem müssten nachhaltige, attraktive Mobilitätsangebote geplant werden (u.a. Fuß- und Radverkehr, Carsharing). Genauso ist ein nachhaltiger Gütertransport sicherzustellen. Nur so gelingt die Implementierung nachhaltiger Mobilität. Dabei ist auf eine integrierte Stadt- und Verkehrsplanung zu achten.

  6. Bei der Planung neuen Wohnraums sollte verstärkt auf effiziente, bedarfsgerechte und in der Größe bezahlbare Grundrisse geachtet werden. Durch intelligentes Bauen neuer Wohneinheiten sind schon in der frühen Planungsphase sich später aufgrund demografischer Veränderungen ergebende Bedarfe zu antizipieren und Lösungen bereitzuhalten – beispielsweise durch variable Module. Dabei sind auch die Anforderungen an den sozialgebundenen Wohnraum zu berücksichtigen, um eine soziale Vielfalt und Durchmischung innerhalb eines Wohnvorhabens zu gewährleisten.

  7. Bei Stadterweiterung ist auf eine attraktive Gestaltung der neuen Quartiere und Stiftung von Identifikation bei den Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem Lebensumfeld zu achten. Ein vielfältiges Freizeit-, Sport-, Bewegungs- sowie Kulturangebot ist daher insbesondere in den Quartiersmittelpunkten zu fördern, damit Wohlfühlorte mit Identität und Diversität entstehen. Sport und Kultur können dabei ganz wichtige Katalysatoren für das soziale und gesellschaftliche Miteinander gerade auch im Sinne von Inklusion und Integration sein.

  8. Sowohl bei Stadterweiterung als auch bei Nachverdichtung ist den Belangen von Umwelt-, Natur-, und Klimaschutz und somit dem menschlichen Bedürfnis nach Wohlbefinden in besonderer Weise Rechnung zu tragen. So ist grundsätzlich ein schonender Umgang mit hochwertigen Grünflächen erforderlich, weil sie maßgebliche Bedeutung für Lebensqualität, Gesundheit, Erholung und Bewegung, aber auch Arten- und Biotopvielfalt sowie Naturerfahrung haben. Stadterweiterungs- und Nachverdichtungsprojekte sollten daher immer auch dafür genutzt werden, angrenzende oder verbleibende Grünflächen aufzuwerten und wo möglich, öffentlich nutzbar zu machen. Dort, wo es durch die Projekte zu Versiegelungen kommt, sind diese durch die Begrünung privater Dachflächen und Fassaden bzw. durch Aufwertungen von Grünflächen zu kompensieren. Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sind als Querschnittsaufgabe zu verstehen.

  9. Ein besonderer Fokus muss den Stadt-/Umlandbeziehungen gelten. Stadterweiterung und Nachverdichtung sind eine ganzheitliche Aufgabe, die einer engen kommunalen Zusammenarbeit und Beteiligung bedarf. Dazu müssen Stadt-/Umlandpartnerschaften vielerorts neu definiert werden. Über die traditionellen Instrumente der Stadtplanung hinaus (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan, Satzung der Kommune) sollten dabei auch in Deutschland die im Ausland bereits erfolgreich erprobten Masterpläne zur Anwendung kommen, womit städteplanerische Strategien erarbeitet und fortgeschrieben werden können.

  10. Der bestehende Länderfinanzausgleich ist auf Hemmnisse zu untersuchen, die der kommunalen Raumordnung entgegenstehen. Diese sind zu beseitigen.

 

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