Stiftung „Lebendige Stadt”

Seit dem Jahr 2000 engagiert sich die Stiftung „Lebendige Stadt” unter ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Alexander Otto erfolgreich für die Zukunft unserer Städte. Die urbane Vielfalt aus Arbeit, Kultur und Wohnen gilt es zu erhalten und mit zu gestalten. Themenschwerpunkte bilden die Bereiche Licht, Grün und Gestaltung öffentlicher Räume.

Maßnahmenpapier zur Zukunft der Innenstädte

Die Corona-Pandemie stellt die Innenstädte vor massive Herausforderungen.

Alle Bereiche, die eine lebendige Innenstadt ausmachen – von der Kultur und der Bildung über die Gastronomie bis zum Einzelhandel – sind nicht nur temporär geschlossen, sondern kämpfen um das Überleben. Zahlreiche Insolvenzen zeigen, dass dieser Kampf allzu häufig leider nicht erfolgreich ist. Bereits vor Corona gab es Verödungstendenzen in sog. C und D-Städten, inzwischen sind alle deutschen Städte von Negativtendenzen betroffen. Es besteht die große Gefahr, dass wir hier sehr kurzfristig eine Entwicklung sehen werden, die zu irreparablen Schäden führt und die – von der Arbeitslosigkeit bis zur Stadtreparatur – erhebliche Folgewirkungen und -kosten mit sich bringen würde.

Stadtverwaltungen, Länderregierungen und auch die Bundesregierung sind sich dieser Gefahr und der gebotenen Eile zum Handeln sehr bewusst. Die Stiftung „Lebendige Stadt“ begrüßt daher sowohl die Beschlüsse vom 19. Januar als auch die Tatsache, dass das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat einen Beirat Innenstadt eingerichtet hat, der Lösungsansätze erarbeiten soll. Diesem Beirat möchten wir folgende Vorschläge unterbreiten:

1. Kurzfristige Rettung der innerstädtischen Akteure

  • Die Gremien der Stiftung „Lebendige Stadt“ sind der Auffassung, dass ein differenziertes und intelligentes Konzept aus dem Lockdown die beste Hilfe wäre.

  • Außengastronomie, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie andere Freizeitnutzungen mit wirksamen Hygienekonzepten sind schnellstmöglich zu genehmigen.

  • Die am 19. Januar beschlossenen Verbesserungen der Überbrückungshilfe III sind wichtig und bedürfen unverzüglicher Wirksamkeit, weil dem Handel eine tiefgreifende Insolvenzwelle bevorsteht. Insbesondere mittlere und größere Betriebe werden jedoch erst wirksam unterstützt werden können, wenn die viel zu niedrigen Beihilfegrenzen der EU deutlich erhöht werden. Dies muss sehr kurzfristig geschehen.

  • Es sollte in der Zwischenzeit dringend erforderliche Liquidität durch schnelle und wirksame Abschlagszahlungen zur Verfügung gestellt werden, ohne sich in zu vielen und kleinteiligen Regelungen zu verlieren.

  • Ferner ist der bereits erhöhte Verlustrücktrag weiter auszuweiten – sowohl zeitlich als auch in der Betragshöhe.

2. Langfristige Stärkung des Innenstadthandels

  • Auf EU-Ebene ist sicherzustellen, dass globale Onlinehändler mindestens die gleichen Auflagen (z.B. Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Markenschutz etc.) wie lokale Händler erfüllen müssen und angemessene Steuern in Deutschland zahlen. Solange dies international nicht durchsetzbar ist, müssen analog zum Verfahren der CO²-Bepreisung zunächst nationale Regelungen erlassen werden.

  • Die GWB-Novelle ist umgehend zu nutzen, um monopolartige Unternehmen angemessen zu regulieren und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Unternehmen, die zugleich selber Händler als auch Plattform für andere Händler sind, die anderen Händler nicht benachteiligen.

  • Gerade nach der Coronakrise werden vielen kleinen und mittleren Händlern die finanziellen Mittel für die erforderlichen Omnichannel-Investitionen fehlen, wobei insbesondere Zusammenschlüsse lokaler Händler auf gemeinsamen Online-Marktplätzen anzustreben sind. Hier hat das BMWi bereits ein Programm konzipiert, das schnell umzusetzen und auszubauen ist.

    Dazu sind staatliche Zuschüsse und / oder langlaufende und niedrig verzinste Kredite erforderlich, die erst nach einigen Jahren erste Zins- und Tilgungszahlungen erfordern und die weitgehend unabhängig von üblichen Bonitätskriterien vergeben werden.

3. Transformation zur Post-Corona-Innenstadt

  • Trotz aller Anstrengungen werden zahlreiche innerstädtische Nutzungen die Coronakrise nicht überleben. Um Leerstände und Verfall zu vermeiden, ist es daher unerlässlich, dass Nutzungsänderungen schnell und mit einem geringen finanziellen Aufwand möglich sind – gerade auch, um Nutzungen zu ermöglichen, für die nur geringe Mieten und Umbaukosten gezahlt werden können. Hierfür sind zum einen geltende Regularien zu überprüfen und ggf. zu lockern (z.B. Umwandlung von Gewerbe in Wohnen, Lärmschutz, Brandschutz, Denkmalschutz, Sortimentsbeschränkungen). Zum anderen ist die Genehmigungspraxis zu beschleunigen und auf eine proaktive Revitalisierung der Innenstädte auszurichten.

  • Die Städte sind für die nächsten fünf Jahre durch Bund und Länder finanziell dabei zu unterstützen, den Transformationsprozess durch ein Innenstadt- und Leerstandsmanagement zu steuern. Dies dient auch der Schaffung von Zwischennutzungen. Die Unterstützung gilt auch der Einsetzung von Citymanagern und -vermarktern, die die Entwicklung vor Ort vorantreiben und die relevanten Akteure zusammenbringen müssen.

  • Schon heute müssen die Kommunen eine Strategie für den Restart entwickeln, damit das gesellschaftliche Leben schnell wieder an Normalität gewinnen kann und weitere Schäden verhindert werden.

  • Die Stiftung „Lebendige Stadt“ wird den Transformationsprozess intensiv begleiten, Best-practice-Beispiele für Verfahren und Kriterien suchen und die dort gemachten Erfahrungen anderen Kommunen zur Verfügung stellen.

4. Qualifizierung des öffentlichen Raums

  • Bereits 2015 hat eine umfassende Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gezeigt, welche Bedeutung der öffentliche Raum gerade auch für die Innenstädte von Klein- und Mittelstädten hat und welcher Handlungsbedarf hier besteht.

  • Erforderlich ist daher ein umfassendes Konzept zur dauerhaften Qualifizierung des öffentlichen Raums in den Innenstädten. Hierzu gehören
    • die Gestaltung eines partizipativen Prozesses,
    • die Einsetzung eines Stadtkurators zur Schaffung eines vernetzten Erlebnisraums Innenstadt,
    • die Finanzierung der Umsetzung,
    • die Etablierung eines Nutzungsmanagements und vor allem auch
    • die Sicherstellung der langfristigen Finanzierung von Pflege, Instandhaltung und Nutzungsangeboten.

    Ohne eine maßgebliche Unterstützung durch Bund und Länder werden viele Kommunen dies nicht leisten können.