Stiftung „Lebendige Stadt”

Seit dem Jahr 2000 engagiert sich die Stiftung „Lebendige Stadt” unter ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Alexander Otto erfolgreich für die Zukunft unserer Städte. Die urbane Vielfalt aus Arbeit, Kultur und Wohnen gilt es zu erhalten und mit zu gestalten. Themenschwerpunkte bilden die Bereiche Licht, Grün und Gestaltung öffentlicher Räume.

07.09.2012

Stiftung „Lebendige Stadt“ und Bundesfamilienministerium zeichnen aus: Schwerin ist „barrierefreie Stadt“

Frankfurt/M. / Hamburg, 7.09.2012 – Die Stadt Schwerin ist von der Stiftung „Lebendige Stadt“ und dem Bundesfamilienministerium als „barrierefreie Stadt“ ausgezeichnet worden. Mit einem europaweiten Wettbewerb hatten die Stiftung und das Ministerium Projekte gesucht, die die Eigenständigkeit, Mobilität und Teilhabe aller Menschen am öffentlichen Leben fördern. Neben dem Siegerkonzept würdigte die Fachjury das beispielgebende Engagement für Barrierefreiheit der Städte Bayreuth, Furth (bei Landshut), Luxemburg, Sosnowiecz (Polen) und Taunusstein (Hessen). Rund 150 Städte und Gemeinden aus dem In- und Ausland haben an dem Wettbewerb teilgenommen. Die Deutsche Bahn AG war Förderer des Stiftungspreises.


„Der Wettbewerb hat gezeigt: Trotz angespannter Haushalte ist das Engagement der Städte für mehr Barrierefreiheit groß. Besonders lobenswert sind zudem die vielen privaten Initiativen, die nicht nur die öffentlichen Kassen entlasten, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe fördern“, so Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“.


Die Preisverleihung fand am Donnerstagabend (6.09.2012) vor rund 500 Gästen im Gesellschaftshaus im Frankfurter Palmengarten statt. Zu den Laudatoren zählten der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, Commerzbank-Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller, Freiburgs Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon, Kölner Oberbürgermeister a.D. Prof. h.c. Dr. h.c. Fritz Schramma und DB-Regio-Vorstand Michael Hahn.


Sieger des Stiftungspreises 2012: Schwerin


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Den ersten Preis teilen sich zwei Projekte aus der Landeshauptstadt Schwerin. Dies verdeutlicht umso mehr, dass die Stadt den Titel „barrierefreie Stadt“ verdient hat. Die Stiftung würdigt mit dem 1. Preis die Arbeit des gemeinnützigen Vereins „Haus der Begegnung Schwerin e.V.“. Der Verein wurde 1996 mit dem Ziel gegründet, ein Zentrum mit einem breiten Angebot für soziale Beratung, Betreuung und Begleitung zu gründen. Die Angebote werden inzwischen von jährlich 25.000 Bürgerinnen und Bürgern der Stadt wahrgenommen. Damit ist das Haus zu einer wichtigen Institution der sozialen Infrastruktur Schwerins geworden. Das Ziel, die Landeshauptstadt Schwerin barrierefrei zu gestalten, wurde 2009 auf die damalige Bundesgartenschau übertragen. Alle Menschen sollten ungehinderten Zugang zu dieser Ausstellung haben - insbesondere auch solche mit Mobilitäts-, Gehör- und Sehbehinderungen. Dazu hat der Verein die Planer und Geschäftsführung der BUGA frühzeitig mit Experten zur Barrierefreiheit zusammengeführt. Im Ergebnis führte das dazu, dass die BUGA erstmals umfassend barrierefrei gestaltet wurde. Die vielfältigen Erfahrungen aus diesem Projekt hat der Verein anderen Städten zur Verfügung gestellt.


Die Stiftung zeichnete zudem das Schweriner Amt für Stadtentwicklung aus. Auf Initiative der ansässigen Bewohner und Akteure sollte bei der Neuentwicklung des Schweriner Stadtteils Neu Zippendorf darauf geachtet werden, dass der Stadtteil barrierefrei wird. Um das zu erreichen, wurde im Jahr 2000 die Arbeitsgruppe „Barrierefreiheit“ gegründet. Sie bestand anfänglich aus acht Bewohnern, die auch die relevanten Verbände für Belange aller behinderten Menschen repräsentierten. Moderiert wurde die Arbeitsgruppe von einem Mitarbeiter des Stadtentwicklungsamtes. Noch heute besteht die Arbeitsgruppe in nahezu gleicher Zusammensetzung und sorgt für eine kontinuierlich barrierefreie Entwicklung von Neu Zippendorf. Die Aufgaben der AG bestehen in der Begutachtung aller Wohnumfeldplanungen bzgl. Barrierefreiheit, der Beseitigung von Barrieren im Stadtteil und der Erarbeitung eines Leitfadens für eine bürgerfreundliche und behindertengerechte Straßenraumgestaltung. Inzwischen ist der Leitfaden aufgrund seiner Präzision und praktischen Anwendbarkeit Grundlage aller Verträge mit Planungsbüros und der AG werden alle Entwurfsplanungen vorgestellt. Gleichzeitig trägt der Leitfaden zur Qualifizierung der ehrenamtlichen Arbeit bei und rückt die Belange der Betroffenen stärker in das Bewusstsein von Verwaltung und Planern. Die Jury würdigte neben dem Einsatz der AG „Barrierefrei“ und der Stadtverwaltung Schwerin auch die Tatsache, dass die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes fester Bestandteil der Stadtentwicklung geworden ist und somit Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben der Menschen vor Ort.


Anerkennung: Bayreuth
Die Teilhabe behinderter Menschen am öffentlichen Leben ist zentrales Anliegen der Stadt Bayreuth: Das taktile Leitsystem am Boden der Innenstadt, blindengerechte Ampeln, inklusive Auffangstreifen und Gehwegabsenkungen fördern die Eigenständigkeit sehbehinderter Menschen. Die behindertengerechte Gestaltung des ÖPNV, wie z. B. der Einsatz von Niederflurbussen und spezifische Schulungen der Busfahrer, sorgt für einen vereinfachten Zugang und eine bessere Nutzung des Straßenverkehrs durch gehandicapte Menschen. Besonders hervorzuheben ist der barrierefreie Bau des RW 21, das eine Jugend- und Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und eine Volkshochschule unter einem Dach vereint. Generationenverbindende Aktionen wie die „Vorlesepaten“ oder Computerschulungen bringen jung und alt zusammen und fördern den gemeinsamen Austausch. Im Café Samocca sind Menschen mit Behinderungen in allen Arbeitsbereichen tätig und nehmen über ihre Arbeit aktiv an der Gesellschaft teil. Zudem zeichnet die Stadt besonderes bürgerschaftliches Engagement aus, das zur Barrierefreiheit beiträgt. Die Jury lobt die Stadt Bayreuth für ihren ganzheitlichen Ansatz, Barrieren in der Stadt zu verkleinern und zu beseitigen.


Anerkennung: Furth (Bayern)
Die bayerische Gemeinde Furth (nahe Landshut) verfolgt bereits seit Mitte der 90er Jahre eine Innenentwicklung nach den Grundsätzen von Barrierefreiheit: Das beinhaltet eine barrierefreie Gestaltung von Dorfplatz, öffentlichen Wegen, Rathaus, Krippe und Hort, Grund- und Mittelschule sowie Wohneinrichtungen für ältere und behinderte Menschen. Die neu gestaltete Ortsmitte konzentriert alle wichtigen Dienstleistungen: Metzgerei, Bäckerei, Friseursalon, Cafes, Banken, Ärzte, Rathaus, Kirche und betreutes Wohnen. Alle Einrichtungen sind zu Fuß innerhalb von nur fünf Minuten erreichbar. Damit ist der Dorfkern zu einem beliebten Aufenthaltsort für alle Menschen und zu einem Platz des Verweilens und Kommunizierens geworden. Bürgerinnen und Bürger treten bei der Zentrumsgestaltung selbst als Investoren auf. Somit wird diese positive Entwicklung Furths auch maßgeblich vom bürgerschaftlichen Engagement getragen.


Anerkennung: Luxemburg
Neben baulichen Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden und Wegen legt die Stadt Luxemburg den Schwerpunkt auf die Beteiligung behinderter Menschen und Stärkung des Verständnisses für ihre Belange in der Bevölkerung. Im Rahmen einer jährlichen Sensibilisierungswoche bieten Vereine zahlreiche Angebote, um den Alltag und die Bedürfnisse behinderter Menschen erlebbarer und nachvollziehbarer zu machen. Die Angebote bauen Berührungsängste ab und fördern den Dialog und das Miteinander zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen. Weitere Angebote der Stadt bestehen u.a. in der Durchführung von jährlich über vierzehn Gebärdensprachkursen, der Organisation eines monatlichen Gebärdencafés zur Förderung der Kontakte zwischen Hörenden und Gehörlosen, der Internetübertragung von Gemeinderatssitzungen in Gebärdensprache, der Einrichtung eines partizipativen Ausschusses zur Verbesserung der Situation der Betroffenen sowie der Reservierung besonderer Bereiche bei öffentlichen Veranstaltungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Die Jury lobte, dass sich die Stadt Luxemburg ihrer Verantwortung zur Beseitigung von Barrieren stellt und sich damit über eigene Zuständigkeiten hinaus dem Dialog und Miteinander aller Gruppen der Gesellschaft annimmt und als Förderer auftritt.


Anerkennung: Sosnowiecz (Polen)
Die polnische Stadt Sosnowiec hat 2008 unter dem Namen „Fashion for Success – That is Steps towards self-reliance“ ein städtisches Aktions- und Beteiligungsprogramm ins Leben gerufen. Dies soll den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gegenseitigen Unterstützung fördern. Die Angebote richten sich in erster Linie an Kinder- und Jugendliche sowie sozial Bedürftige. Das Programm wird getragen vom Engagement der Bürger sowie gemeinnützigen Vereinen und Organisationen. Städtische Sozialarbeiter haben dabei großen Freiraum, um mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam Aktivitäten zu entwickeln, die dann ehrenamtlich durchführt werden. Dazu zählen u.a. Volleyballturniere, Kletter- und Tanzkurse, Kunst- und Theaterworkshops sowie Integrationsmessen und Stadtbegrünungsaktionen. Aber auch praktische Lebenshilfe wird mit Erste-Hilfe-Kursen, Verkehrssicherheitsschulungen sowie kostenlosen Beratungsangeboten durch Erzieher, Anwälte und Psychologen geleistet. Die Stadt Sosnowiec stellt für die Aktivitäten Räumlichkeiten, Verpflegung und finanzielle Unterstützung bereit. Zusätzlich informiert das Sozialamt mit Broschüren über die sozialen Angebote von lokalen Vereinen und Organisationen.


Anerkennung: Taunusstein (Hessen)
Der gemeinnützige Verein „Nachbarschaftshilfe Taunusstein“ setzt sich dafür ein, die nachbarschaftlichen Beziehungen in kleinsten sozialen Räumen zu verbessern, wiederherzustellen oder neu zu wecken. Dabei bringt er auch Menschen zusammen, die sich zuvor noch gar nicht kannten und fort an dabei unterstützen, ihre Eigenständigkeit zu erhalten und Mobilität und Teilhabe zu fördern. Innerhalb von nur zwei Jahren wuchs der Verein von 40 auf über 600 ehrenamtliche Mitglieder an. Die Hilfsangebote des Vereins umfassen u.a. die Organisation und Begleitung bei Arztbesuchen, Einkäufen und Spaziergängen, EDV-Schulungen, Reparatur- und Gartenarbeiten, Entlastung pflegender Angehöriger, das Hüten von Haustieren, Unterstützung bei Behördengängen und Schriftverkehr oder das Herstellen sozialer Kontakte. Vor dem Hintergrund des eigenen Leitbilds, bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliche Strukturen zu fördern, unterstützt die Stadt Taunusstein die Arbeit des Vereins auf verschiedene Weise: Sie macht durch ihre Öffentlichkeitsarbeit auf die Vereinsangebote aufmerksam und der Verein kann städtische Räumlichkeiten kostenlos nutzen. Aufgrund seiner Niedrigschwelligkeit und seines geringen Verwaltungsaufwands lässt sich das Modell in Taunusstein sehr gut auf andere Gemeinden übertragen.


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Die Preisjury:


Vorsitz:
Kaspar Kraemer Kaspar Kraemer Architekten BDA


Mitglieder:
Raphael Beckmann Geschäftsführer Deutscher Behindertensportverbandes e.V., Dr. Michael Bigdon Leiter Dezernat für Wirtschaft, Bauen und Umwelt, Bezirk Hamburg-Nord, Dr. Christof Eichert Vorstand Quandt-Stiftung, Prof. Carsten Gertz Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TU Harburg, Klaus Hahn Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V., Berlin, Dieter Hackler Leiter Abteilung Ältere Menschen, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Thomas Hänsgen Stiftungsratsvorsitzender und Geschäftsführer „barrierefrei kommunizieren!“, Berlin, Ursula Hellert Gesamtleiterin CJD Braunschweig, Folkert Kiepe Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Lars Klatte RKW Rhode Kellermann Wawrowsky, Düsseldorf, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ursula Lehr Bundesministerin a.D. und Vorsitzende, Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisation e.V., Gernot Mittler Präsident, Special Olympics Deutschland e.V., Dagmar Mühlenfeld Oberbürgermeisterin der Stadt Mülheim a. d. Ruhr, Ulrich Rolfsmeyer Bürgermeister der Gemeinde Hiddenhausen, Oda Scheibelhuber Ministerialdirektorin und Leiterin der Abteilung Raumordnung, Stadtentwicklung und Wohnen, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Herbert Schmalstieg Oberbürgermeister a.D. der Stadt Hannover, Liane Schwarz Vorstandsvorsitzende Radio 4 Health, Hans-Josef Vogel Bürgermeister der Stadt Arnsberg, Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl Leitende Verwaltungsdirektorin, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Stadt München, Werner Wingenfeld Stadtbaurat der Stadt Bonn, Peter Zimmer Senior Projektleiter Bestellermarketing Bus, DB Regio AG


Die Stiftung „Lebendige Stadt“
Die Stiftung „Lebendigen Stadt“ hat ihren Stiftungspreis in diesem Jahr zum zwölften Mal verliehen. In den letzten Jahren gingen Preise nach Griesheim (2009: Kinderfreundliche Mobilität), Arnsberg (2010: Seniorenfreundlichste Stadt) sowie Hiddenhausen und Ingelheim a.R. (2011: Unverwechselbare Stadt). In der gemeinnützigen Stiftung „Lebendige Stadt“ arbeiten Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien zusammen, um gemeinsam die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit der europäischen Städte zu fördern. Zu ihren Förderprojekten zählen die Grüngestaltung des Essener Krupp-Parks, die künstlerischen Illuminationen des Berliner Reichstagsgebäudes und Kölner Rheinufers sowie die Neugestaltungen des Hamburger Jungfernstiegs und Leipziger Nikolaikirchhofs. In diesem Jahr hat die Stiftung eine große Offensive zur Illumination von Bahnunterführungen gestartet, wodurch 31 Brücken in 24 Städten neues Licht erhalten.

 

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