Know-How Austausch
Einmal im Jahr veranstaltet die Stiftung eine Fachtagung zu aktuellen Problemen der Städte. Zukunftsthemen, Lösungsansätze und „Best-Practice-Beispiele“ werden diskutiert und einem breiten Fachpublikum von kommunalen Entscheidungsträgern zugänglich gemacht.
Inklusionsgipfel am „Runden Tisch“ in Köln
Zu ihrem ersten „Runden Tisch“ hat die gemeinnützige Stiftung „Lebendige Stadt“ am 8. April 2015 rund 40 Experten nach Köln eingeladen.
Thema der Beratungen am Rheinufer war die „Inklusive Quartiersentwicklung“: Wie müssen sich die Städte entwickeln, um angesichts der demografischen Veränderungen zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden?
„Im Fokus steht dabei das bedarfsgerechte Zusammenleben von Menschen, unabhängig ihres Geschlechts und Alters, ihrer Religion und Sprache oder ihrer sozialen Stellung. Auch körperliche oder geistige Beeinträchtigungen sowie Neigungen, Interessen und Fähigkeiten sollen bei der Neuentwicklung von Quartieren gleichberechtigt berücksichtigt werden“, sagte Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“. Der Begriff Inklusion sei somit in der Stadtentwicklung weiter zu fassen und gehe über Bildung und Barrierefreiheit hinaus, unterstrich Otto zum Auftakt der Diskussionsrunde, die vom ehemaligen saarländischen Wirtschaftsminister Dr. Hanspeter Georgi geleitet wurde.
Doch auch darum geht’s: Bordsteinkanten, Kopfsteinpflaster oder Treppen – für Menschen mit Behinderung können derlei Hindernisse schnell zu unüberwindlichen Barrieren werden. „Vielleicht muss ein Oberbürgermeister sich mal in den Rollstuhl setzen und begreifen, was es heißt, durch das Pflaster einer Altstadt zu müssen“, sagte Leistungsschwimmerin Kirsten Bruhn, die bei Paralympics mehrfach Gold gewann.
Auch die ehemalige Bundesministerin Prof. Dr. Ursula Lehr forderte eine „präventive Umweltgestaltung“, die mobilitätseingeschränkte Gruppen wie Senioren nicht behindere, sondern sie zur Aktivität ermuntere. Manches Mal fehle es in den Quartieren an Selbstverständlichkeiten wie beispielsweise öffentlichen Toiletten, so Lehr.
Frankfurts Bürgermeister Olaf Cunitz sagte, es müsse in den Kommunen darum gehen, im 21. Jahrhundert keine öffentlichen Räume zu bauen, die einen Teil der Bevölkerung ausschließen. Architekt Kaspar Kraemer sprach sich in diesem Zusammenhang für Lösungen aus, die auch den Wunsch nach ansprechender Gestaltung erfüllten.
Das Thema inklusive Quartiersentwicklung umfasst jedoch nicht allein den Abbau physischer Barrieren – eine bedeutende Rolle spielt auch die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit von Menschen. Die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags, Dr. Eva Lohse, forderte in diesem Kontext ein Klima der Offenheit und Toleranz. So seien etwa aktuell bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern unpopuläre und schwierige Debatten zu führen. Nach Auffassung von Staatsministerin Aydan Özoðuz muss die Bevölkerung vor Ort viel stärker mit einbezogen werden. Özoðuz lobte ausdrücklich die vielen zehntausend Menschen, die sich bereits engagierten.
Nurhan Soykan, Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime, sprach sich bei der inklusiven Quartiersentwicklung für eine „gute Durchmischung“ der Bevölkerungsgruppen aus. Sie wünsche sich unter anderem mehr Moscheen in den Zentren der Städte. Nicht nur als Ort der Religionsausübung sei eine Moschee von Bedeutung. Vielmehr erfülle sie auch eine wichtige Funktion als Treffpunkt, sagte Soykan.
Einen weiteren Aspekt brachte der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Michael Vesper, in die Diskussion ein. Er betonte die Bedeutung des Sports. So gebe es beispielsweise weltweit kein besseres Programm für Inklusion als Paralympics. Denn sie beschleunigten bauliche Veränderungen. Darüber hinaus sei Sport eine einfache Sprache, die alle schnell verstehen und die Menschen zusammenbringt.
Fecht-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Britta Heidemann erinnerte an die Bedeutung von Sportprojekten. Sie sorgten für ein Miteinander von Jugendlichen unterschiedlicher Nationalität und Religion und vermittelten so auf spielerische Weise Fairness und Respekt.
Auch Kölns Bildungs- und Sportdezernentin Dr. Agnes Klein unterstrich die „gesellschaftliche Kraft“ der Sportvereine. Für junge Migranten sei in Köln außerdem ein Schulpaten-Programm gestartet worden, das in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln umgesetzt werde.
Schriftsteller und Autor Frank Schätzing mahnte bei der gesamten Debatte um Inklusion einen unbefangenen Umgang miteinander an. Man müsse lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und die Vielseitigkeit unserer Gesellschaft als Bereicherung zu begreifen – und nicht „als notwendiges Übel“, so Schätzing.
Die Stiftung „Lebendige Stadt“ hat bereits mehrere Projekte zur inklusiven Quartiersentwicklung gefördert und Bundeswettbewerbe ausgelobt, mit denen u. a. die „seniorenfreundlichste und barrierefreiste Stadt" prämiert wurde. Die Impulse des „Runden Tisches“ werden in die Stiftungsarbeit einfließen.
„Aufgrund der fachlich kompetenten und heterogenen Zusammensetzung des Runden Tisches flossen unterschiedlichste Sichtweisen und Anregungen in die Diskussion ein. Dieser Input wird unsere Stiftungsarbeit bereichern und wir werden jetzt beraten, wie wir die Ergebnisse den Städten in geeigneter Form zugänglich machen können", so Dr. Andreas Mattner, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“.
Teilnehmer am 1. Runden Tisch
Moderation: Dr. Hanspeter Georgi
Minister für Wirtschaft und Arbeit a.D., Saarland
Prof. Dr. Willi Alda
Universität Stuttgart
Michael Batz
Theatermacher und Szenograf
Adolf Bauer
Präsident Sozialverband Deutschland (SoVD)
Jan Bettink
Vorstandsvorsitzender Berliner Hyp AG
Friederike Beyer
Geschäftsführerin Beyer PR EVENT
Kirsten Bruhn
Leistungsschwimmerin; Paralympisches Gold 2004, 2008 & 2012
Dr. h.c. Peter Harry Carstensen
Ministerpräsident a.D., Schleswig-Holstein
Olaf Cunitz
Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main
Lothar Flemming
Fachbereichsleiter Sozialhilfe, Landschaftsverband Rheinland
Arved Fuchs
Polarforscher
Gerhard Fuchs
Staatsrat für Stadtentwicklung und Umwelt a.D., Hamburg
Dr. Herlind Gundelach
MdB, Senatorin für Wissenschaft und Forschung a.D., Hamburg
Britta Heidemann
Olympiasiegerin 2008 im Fechten
Robert Heinemann
Senior Director ECE Projektmangement GmbH & Co. KG
Dr. Agnes Klein
Dezernentin für Bildung, Jugend und Sport, Stadt Köln
Maik Klokow
Geschäftsführer Mehr! Entertainment GmbH
Dipl.-Ing. Kaspar Kraemer
Kaspar Kraemer Architekten BDA
Prof. Dr. Rainer P. Lademann
Geschäftsführer Dr. Lademann & Partner
Prof. Dr. Dres. h.c. Ursula Lehr
Bundesministerin a.D.
Lutz Lienenkämper
MdL, Staatsminister a.D.
Dr. Eva Lohse
Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags
Prof. Dr. Dittmar Machule
Em. Professor an der HafenCity Universität, Dep.Stadtplanung
Dr. Andreas Mattner
Präsident ZIA Deutschland
Alexander Otto
Vors. der Geschäftsführung ECE Projektmanagement GmbH &Co. KG
Aygül Özkan
Geschäftsführerin DB Kreditservice GmbH
Aydan Özoguz
MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin
Jürgen Roters
Oberbürgermeister der Stadt Köln
Prof. Dr. Johannes Schädler
Zentrum f. Planung & Evaluation Soz. Dienste, Uni Siegen
Dr. Thomas Schäfer
Minister der Finanzen, Hessen
Frank Schätzing
Schriftsteller und Autor
Bärbel Schomberg
CEO Schomberg & Co Real Estate
Prof. h.c. Dr. h.c. Fritz Schramma
Oberbürgermeister der Stadt Köln a.D.
Edwin Schwarz
Wirtschafts- und Planungsdezernent a.D., Frankfurt/ Main
Nurhan Soykan
Generalsekretärin Zentralrat der Muslime Deutschland
Dr. Bernd Thiemann
Aufsichtsratsvorsitzender Hypo Real Estate Holding AG
Dr. Michael Vesper
Generaldirektor Deutscher Olympischer Sportbund
Dr. Joachim Wieland
CEO, Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG