Know-How Austausch

Einmal im Jahr veranstaltet die Stiftung eine Fachtagung zu aktuellen Problemen der Städte. Zukunftsthemen, Lösungsansätze und „Best-Practice-Beispiele“ werden diskutiert und einem breiten Fachpublikum von kommunalen Entscheidungsträgern zugänglich gemacht.

Runder Tisch zu Direkter Demokratie

41 Prozent der Bundesbürger können sich persönliches politisches Engagement vorstellen

- 54 Prozent vertrauen ihren Bürgermeistern
- Volksentscheide könnten Vertrauen in Politik stärken – aber Themen aus Bürgersicht oft ungeeignet
- Runder Tisch zu Direkter Demokratie in München


Im Auftrag der von Unternehmer und Mäzen Alexander Otto gegründeten Stiftung „Lebendige Stadt“ hat das Forsa-Institut Bürgerinnen und Bürger zum Thema „Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie“ befragt.

 

Die Umfrageergebnisse waren Diskussionsgrundlage für den Runden Tisch, zu dem die Stiftung Politiker, Kulturschaffende, Stadtplaner, Unternehmer und Verwaltungsexperten nach München eingeladen hat.

„Ich bin positiv überrascht, dass sich immerhin 41 Prozent der Befragten ein politisches Engagement vorstellen können. Dieses Potenzial sollten Parteien und politische Organisationen nutzen, indem sie den Bürgerinnen und Bürgern konkrete Angebote für eine aktive Mitarbeit machen. Auch darin liegt die Chance, stärkeres Vertrauen in die Politik zu gewinnen und der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken“, so Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“.

 

Zu den 40 Teilnehmern des „Runden Tisches“ zählten u. a.: Barbara Bosch (Oberbürgermeisterin Reutlingen), Dr. Manfred Brandt (Vorstand Mehr Demokratie), Prof. Dr. Hans Peter Bull (Staats- und Verwaltungsrechtler Universität Hamburg), Arved Fuchs (Polarforscher), Prof. Dr. Harald Kächele (Bundesvorsitzender Deutsche Umwelthilfe), Dr. Eva Lohse (Präsidentin Deutscher Städtetag), Dr. Andreas Mattner (Präsident Zentraler Immobilien Ausschuss), Marcel Philipp (Oberbürgermeister Aachen), Henriette Reker (Oberbürgermeisterin Köln), Anna Schindler (Direktorin Stadtentwicklung Zürich) und Josef Schmid (Bürgermeister München).

 

Dr. Manfred Brandt, Vorstand Mehr Demokratie e.V. Landesverband Hamburg: „Das deutsche Planungsrecht ist nicht beteiligungsfreundlich. Bürgerbeteiligung funktioniert nur, wenn die Bürger die faire Chance haben, sich einzubringen und am Ende auch entscheiden zu können. Dazu brauchen wir mehr direkte Demokratie. In Deutschland gilt offenbar, dass alles, was viel Geld kostet und wirklich wichtig ist, nicht das Volk entscheiden sollte. In der Schweiz ist es genau andersherum. Wir müssen viel genauer prüfen, wie demokratische Verfahren erfolgreich im Sinne des Gemeinwohls gut funktionieren. Und wir müssen zu einem Miteinander statt zu einem Gegeneinander von parlamentarischer und direkter Demokratie kommen.“

 

Prof. Dr. Hans Peter Bull, Professor für Rechtswissenschaften Universität Hamburg: „Mit Bürgerbeteiligung geht die Gefahr für das Gemeinwesen einher, dass wichtige oder sogar notwendige Projekte verhindert werden. Das haben beispielsweise die Olympia-Abstimmungen in München und Hamburg gezeigt. Bürger sollen ihre Wünsche in den Entscheidungsprozess einbringen, damit die Stimme des Volkes Gehör findet und die Verantwortlichen sollen auf die Bürger eingehen. Aber die Regeln müssen angemessen gestaltet sein. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass in einem strukturierten, gestuften Verfahren wie in der Volksvertretung mehr Interessen und Meinungen berücksichtigt werden, als in direkt-demokratischen Verfahrensabstimmungen.“

 

Dr. Eva Lohse, Präsidentin Deutscher Städtetag und Oberbürgermeisterin Ludwigshafen: „Wir dürfen die repräsentative Demokratie nicht schwächen. Aber sie muss durch partizipative Elemente ergänzt werden, um zu guten Ergebnissen zu kommen. In diesem Sinne sind die bewährten Formen der repräsentativen Demokratie und direkten Bürgerbeteiligung wichtige Elemente einer lebendigen lokalen Demokratie und einer lebendigen Stadt.“

 

Dr. Andreas Mattner, Präsident Zentraler Immobilien Ausschuss: „Beim Thema direkte Demokratie hilft Schwarz-Weiß-Denken genauso wenig, wie ein auf Ja-Nein reduzierter Entscheid. Das belegt auch die Forsa-Umfrage: Einerseits findet eine große Mehrheit Volksentscheide gut, weil sie das Vertrauen in die Politik stärken. Aber 72 Prozent sagen auch, dass sich damit Minderheitsmeinungen durchsetzen können. Das kann nicht sein. Daher müssen wir bereits mit den Regeln des Verfahrens sicherstellen, dass wir nicht zu unangemessenen Ergebnissen kommen. Wohl überlegte Quoren könnten dazu beitragen.“

 

Henriette Reker, Oberbürgermeisterin Köln: „Mit frühzeitiger Information durch Vorhabenlisten und faire Beteiligungsverfahren mit Experten können Bürgerinnen und Bürger für Projekte der Stadtentwicklung interessiert werden. Dafür ca. 1 Prozent der Investitionskosten aufzuwenden, ist gut investiertes Geld. Entscheidungssicherheit für die politischen Gremien und Planungssicherheit für die Bauprozesse können so hergestellt werden und die Transparenz und das Vertrauen in politische Entscheidungen gestärkt werden.“

 

Josef Schmid, Bürgermeister München: „An mehr Bürgerbeteiligung und auch an neuen Formen der Bürgerbeteiligung führt kein Weg vorbei. Dabei können aber auch ganz überraschende Ergebnisse erzielt werden: Zustimmung, wo sie nicht erwartet wurde, oder ganz neue Impulse.“

 

Anna Schindler, Direktorin Stadtentwicklung Zürich: „Anders als in der Forsa-Umfrage ist das Vertrauen der Menschen in der Stadt Zürich in die Stadt- und Gemeindevertreter hoch – und in Großstädten eher größer als auf dem Land. Das mag durchaus das Interesse der Bevölkerung an einer Politik spiegeln, die sie mit formellen und informellen Instrumenten und Prozessen aktiv mitgestalten kann. Viele Menschen kommen explizit des politischen Klimas wegen – und auch zurück.“

 

Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage

Die Stiftung „Lebendige Stadt“ hat die forsa Politik- und Sozialforschung GmbH mit einer repräsentativen Befragung zum Thema „Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie“ beauftragt.

 

Die Umfrage erfolgte im Zeitraum vom 15. - 22.02.2017, wobei 1.001 Personen ab 18 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zufallsprinzip befragt wurden. Die Fehlertoleranz liegt bei +/- 3 Prozentpunkten.

 

Vertrauen in die politischen Vertreter
Mit 54 Prozent hat mehr als die Hälfte der Befragten großes Vertrauen in ihren Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister. Damit ist das Vertrauen in die Bürgermeister größer, als in den Stadt- oder Gemeinderat mit 46 Prozent. Dabei fällt das Vertrauen in kleineren Gemeinden größer als in den Städten aus und direkte gewählte Bürgermeister genießen höheres Vertrauen als ihre von Räten oder Versammlungen gewählten Kolleginnen und Kollegen. 17 Prozent der Befragten gaben an, nicht zu wissen, auf welche Weise ihr Bürgermeister gewählt wird.

 

Meinung zu Volksentscheiden
64 Prozent der Befragten meinen, dass Volksentscheide das Vertrauen in die Politik stärken könnte. Dabei zeigt sich aber auch ein Widerspruch: Nur 32 Prozent glauben nämlich, dass die Entscheidungen, die in einer Stadt oder Gemeinde getroffen werden müssen, überhaupt dazu geeignet sind, darüber alle Bürgerinnen und Bürger abstimmen zu lassen. 44 Prozent meinen hingegen, dass die Themen meist zu komplex für einen Volksentscheid sind, um darüber mit „ja“ oder „nein“ abzustimmen. Das gilt vor allem für die Großstädte. Selbst unter denjenigen, die in Volksentscheiden eine „vertrauensbildende“ Wirkung erkennen, ist weniger als die Hälfte der Meinung, dass sich Themen für Volksentscheide eignen.

79 Prozent meinen, dass sich an Volksentscheiden nur bestimmte Gruppen mit speziellen Interessen beteiligen.

72 Prozent sehen sogar die Gefahr, dass Minderheiten bei Volksentscheiden ihre Ansichten auf Kosten der Mehrheit durchbringen. Je höher der Bildungsabschluss der Befragten ist, umso kritischer werden Volksentscheide gesehen.

 

Steigerung des Politikinteresses und der Wahlbeteiligung
Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, schlagen 19 Prozent der Befragten mehr Bürgernähe und 15 Prozent mehr Glaubwürdigkeit der Politiker vor. 13 Prozent wünschen sich bessere Informationen zur Wahl und 8 Prozent eine verständlichere Sprache. Interessanter Weise werden in diesem Zusammenhang Volksentscheide kaum als geeignete Maßnahme genannt.

 

Eigenes politisches Engagement
Immerhin bis zu 41 Prozent der Befragten können sich unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen, sich politisch zu engagieren. Die Bereitschaft steigt mit der Konkretheit der Aufgabe und ist in Städten und mit steigendem Bildungsgrad ausgeprägter.

 

Teilnehmerliste „Runder Tisch“ 2017 in München

Prof. Dr. Willi Alda

Universität Stuttgart

Michael Batz

Theatermacher und Szenograf

Jan Bettink

Vorstandsvorsitzender a.D., Berliner Hyp AG

Barbara Bosch

Oberbürgermeisterin der Stadt Reutlingen

Dr. Manfred Brandt

Mitglied des Vorstands Mehr Demokratie e.V.

Rolf Buch

Vorstandsvorsitzender Vonovia SE

Prof. Dr. Hans Peter Bull

Innenminister Schleswig-Holstein a.D.

Dr. h.c. Peter Harry Carstensen

Ministerpräsident a.D. Schleswig-Holstein

Olaf Cunitz

Bürgermeister a.D. der Stadt Frankfurt

Arved Fuchs

Polarforscher

Gerhard Fuchs

Staatsrat a.D., Hamburg

Dr. Hanspeter Georgi

Minister a.D., Saarland

Robert Heinemann

Managing Director ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG

Hendrik Hering

Landtagspräsident Rheinland-Pfalz

Joachim Herrmann

Staatsminister Bayern

Dr. Eckart John von Freyend

Aufsichtsratsvorsitzender Harmborner Reit AG

Prof. Dr. Harald Kächele

Bundesvorsitzender Deutsche Umwelthilf e.V.

Wolfgang Kopitzsch

Polizeipräsident a.D., Hamburg

Lutz Lienenkämper

MdL, parl. Geschäftsführer CDU Nordrhein-Westfahlen

Dr. Eva Lohse

Präsidentin Deutscher Städtetag, Oberbürgermeisterin Ludwigshafen

Prof. Dr. Dittmar Machule

Em. Professor HafenCity Universität

Dr. Andreas Mattner

Präsident ZIA Deutschland

Dr. h.c. Ingrid Mössinger

Generaldirektorin Kunstsammlungen Chemnitz

Alexander Otto

Geschäftsführungsvorsitzender ECE Projektmanagement GmbH

Aygül Özkan

Geschäftsführerin DB Kreditservice GmbH

Burkhard Petzold

Geschäftsführer FAZ

Marcel Philipp

Oberbürgermeister der Stadt Aachen

Henriette Reker

Oberbürgermeisterin der Stadt Köln

Jürgen Roters

Oberbürgermeister a.D., Köln

Anna Schindler

Direktorin Stadtentwicklung Zürich

Josef Schmid

zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt München

Bärbel Schomberg

CEO Schomberg & Co Real Estate

Prof. h.c. Dr. h.c. Fritz Schramma

Oberbürgermeister a.D., Köln

Prof. Dr. Wolfgang Schuster

Vorsitzender Deutsche Telekom Stiftung

Edwin Schwarz

Planungsdezernent a.D., Frankfurt

Nurhan Soykan

stv. Vorsitzende Zentralrat der Muslime in Deutschland

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

stv. Bundesvorsitzende der FDP

Dr. Joachim Wieland

CEO Aurelis Real Estate